Wenn ich anderen Menschen von Weg der Offenen Türen erzähle, dann verbinden es die meisten erst einmal mit ihrer beruflichen Situation.
Der Gedanke, dass Veränderung auch in anderen Lebensbereichen möglich ist, liegt offensichtlich nicht so nahe.
Oder vielleicht ist es auch einfacher und sozial akzeptierter, erst mal vom Beruf zu sprechen. Schließlich ist das ein sicheres Thema für alle Gelegenheiten: Es gibt immer etwas zu erzählen, und es wird garantiert nicht zu persönlich.
Wahrscheinlich aber liegt es mit daran, dass die meisten Menschen sich zu einem Teil über ihren Beruf definieren.
„Was bist du eigentlich?“, die klassische Frage. Und die klassische Antwort: „Lehrerin“, „Schreiner“, „Programmiererin“, „Steuerberater“.
Dabei IST der/die Antwortende in den seltensten Fällen, tief drin, wirklich Schreiner oder Programmiererin.
Denn die wenigsten Menschen haben eine Berufung – bei den meisten ist es ein Beruf.
Ein Beruf, der sie 38,5 oder 40 oder auch mehr Stunden pro Woche beschäftigt. Über den sie sich auch abends oder am Wochenende noch Gedanken machen oder aufregen können.
Aber keine Berufung, die ihr Leben ausfüllt. 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche.
Nur… vielleicht muss das auch gar nicht immer sein?
Vielleicht haben viele Menschen eine Berufung, die mit ihrem Beruf nichts zu tun hat?
Und der Beruf, der deckt dann andere, wichtige Bedürfnisse ab: Sicherheit. Versorgt sein. Soziale Kontakte. Anerkennung.
Deinen eigenen Weg zu gehen und deine Berufung zu leben, das muss nicht zwingend bedeuten, dass du deinen Beruf hinwirfst.
Es muss aber auch nicht bedeuten, dass du dich noch bis zur Rente weiter in einem Job quälst, der dich jetzt schon körperlich und seelisch belastet.
Deinen eigenen Weg zu gehen, den Weg der Offenen Türen, bedeutet:
Den Weg zu finden, der für dich passt.
Den Weg, auf dem alle deine Bedürfnisse abgedeckt sind.
Das Bedürfnis nach Anerkennung und Sicherheit ebenso wie das Bedürnis nach Verwirklichung, nach Kreativität und das Bedürfnis, etwas beizutragen.
Und es bedeutet, nicht starr an einem Weg festzuhalten, nur weil du ihn einmal eingeschlagen hast.
Die Welt ändert sich – es ergeben sich immer wieder neue Chancen und Möglichkeiten. Deine Bedürfnisse ändern sich – was heute noch wichtig war, ist es morgen vielleicht nicht mehr (und umgekehrt).
Wenn du deine Berufung mit deinem Beruf verknüpfen kannst, dann ist das wunderbar. Toll!
Und wenn du das nicht kannst, dann ist das eine großartige Chance für dich: Du kannst nicht nur das tun, was dir wichtig ist (deine Berufung). Sondern du kannst auch noch in deinem Beruf andere Bedürfnisse abdecken, die sonst vielleicht zu kurz kämen.
Ist das nicht ebenso wunderbar?
Möglichkeiten gibt es dabei viele, und welche die richtige ist, hängt allein von dir ab:
Du kannst deine Berufung in deinen Alltag integrieren (selbst in deinen Beruf). Zum Beispiel indem du Freude und Humor in das Leben anderer bringst.
Du kannst deine Berufung in deiner Freizeit ausleben. Zum Beispiel indem du wie Renate und Gerhard Freundt einen Garten für die heimische Tierwelt anlegst.
Du kannst beruflich kürzer treten, damit mehr Zeit für deine Berufung bleibt.
Oder bewusst einen Job wählen, der dir ein höheres Gehalt bringt, damit du mehr Geld für deine Berufung zur Verfügung hast.
Was auch immer es ist: Es muss zu dir passen. Patentrezepte und 08/15-Lösungen gibt es nicht.
(Und falls dir jemand welche empfiehlt, dann lächle freundlich und denk dir deinen Teil.)
Beruf und Berufung müssen nicht zusammenfallen – sie müssen sich aber auch nicht ausschließen.
Trotzdem würde ich mir wünschen, dass wir uns alle ein wenig mehr über unsere Berufung definieren, und weniger über unseren Beruf.
„Ich baue Lebensräume für Wildbienen und begeistere andere Menschen dafür, das gleiche zu tun. Wenn ich damit nicht gerade beschäftigt bin, treffe ich mich gern mit Freunden und arbeite als Netzwerktechniker.“.
Oder: „Ich helfe zweimal die Woche in einer Suppenküche, weil es mir ein Herzensanliegen ist, die Armut vor unserer Haustür zu lindern. Und außerdem arbeite ich beim Finanzamt.“
Oder: „Es gibt viel zu viel traurige und schlechte Nachrichten in unserer Welt. Deshalb tue ich mein Bestes, mehr Lachen und Humor ins Leben anderer zu bringen. Das passt auch super zu meinem Beruf als Krankenschwester.“
Spürst du den Unterschied?
Schreibe einen Kommentar