Tief in deinem Innern sitzt der Barde am Feuer und erzählt seine Geschichten.
Er erzählt von Kämpfen und Zerissenheit, von Gegnern und Niederlagen.
Zum leisen Prasseln des Feuers malt er die Bilder dessen, was du erlebt hast, und was dir noch geschehen könnte.
Wohlig lehnst du dich zurück, entspannst dich in der vertrauten Umgebung, lauschst der vertrauten Stimme.
Der Barde sitzt an deinem Feuer und erzählt Geschichten deiner Siege, deiner Erfolge, deiner Stärke und Unbesiegbarkeit.
Deine Erinnerung verschmilzt mit den Geschichten, geht darin auf, bis die Geschichten des Barden zu deiner Erinnerung werden.
Während du in die Flammen schaust, spinnt die vertraute Stimme in einem nie endenden Faden die Geschichte dessen, was in deinem Leben geschehen ist, und was noch geschehen wird.
Und weil sie vertraut ist, weil du sie schon immer gehört hast, vertraust du ihr und öffnest dich für die Geschichten, die die Stimme erzählt.
Der Barde sitzt an deinem Feuer und erzählt die alten Geschichten über dein Leben, die du schon so oft gehört hast.
Er erzählt, wie du betrogen wurdest. Wie andere dich ausnutzen werden. Wie du dich auf niemanden verlassen kannst.
Mit klingender Stimme erzählt er dir zum Knacken des Holzes, wie du versagt hast. Dass du es nie schaffen wirst. Dass du nicht gut genug bist.
Du sitzt am Feuer und hörst dem Barden zu, wie du ihm schon immer zugehört hast.
Es sind die vertrauten Geschichten, die du schon seit deiner Kindheit kennst, wie alte Freunde, die du immer und immer wieder gehört hast.
Du hast diese Geschichten schon so oft gehört, dass sie zu einem Teil deiner Erinnerung geworden sind – so oft, dass sie zu einem Teil deiner Erwartung werden.
So oft hast du sie schon gehört, hast du sie selbst schon erzählt, dass sie zu einem Teil deiner Wahrheit geworden sind, zu einem Teil deines Lebens.
Doch wenn du hochschaust vom Feuer, hinein in den dunklen Abendwald, wenn du nur für einen Moment die vertraute, lockende Stimme des Barden vergisst und stattdessen den Vögeln lauschst, die in den Bäumen zwitschern…
… dann merkst du, dass es da draußen eine große, eine grenzenlose Welt gibt, eine Welt die viel weiter ist, als die Geschichten deines Barden es jemals sein könnten.
Und du stehst auf, lässt den Barden und das Feuer zurück und wanderst hinein in den dunklen Wald, um die Welt jenseits der vertrauten Geschichten zu erleben.
Foto: Robson Hatsukami Morgan bei Unsplash
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