Advent, die Zeit der Ruhe und Besinnlichkeit… zumindest theoretisch.
In der Praxis ist der Advent für viele die stressigste Zeit des Jahres.
Woran liegt das? Und vor allem: Was kannst du dagegen tun?
1. Gewohnheiten
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier.
Mit Veränderung können die meisten Menschen gar nicht gut umgehen, denn jede Veränderung bedeutet zuerst einmal Stress.
Deshalb soll besonders in der mit Emotionen beladenen Weihnachtszeit möglichst alles so bleiben, wie es schon immer war:
Das Weihnachtsessen. Die Art, wie du die Geschenke verpackst. Der Zeitpunkt, zu dem der Baum aufgestellt und geschmückt wird. Der selbstbefüllte Adventskalender. Die 10 Sorten Plätzchen, die du jedes Jahr backst.
Weihnachten ist einfach nicht so richtig Weihnachten, wenn du diese Traditionen fallen lässt.
2. Erwartungen
Nicht nur du, auch andere Menschen sind Gewohnheitstiere.
Wenn du jedes Jahr liebevoll gestaltete Karten an alle Freunde verschickst, dann erwarten deine Freunde das auch in diesem Jahr wieder.
Zumindest wirst du davon ausgehen, dass sie es erwarten – und dann ein schlechtes Gewissen haben, wenn du in diesem Jahr fertig gekaufte Karten verschickst. Oder keine. Oder Neujahrskarten, weil es dir vor Weihnachten einfach nicht mehr gereicht hat.
Und dann gibt es natürlich noch die Menschen, deren ganzes Weihnachtsglück offensichtlich davon abhängt, dass du ihre Erwartungen erfüllst.
Da wird mit dir Leidensmiene verkündet, dass es selbstverständlich überhaupt kein Problem ist, wenn du in diesem Jahr am ersten Adventssonntag nicht die ganze Familie zum Essen einlädst. Oder wenn du an Heiligabend Würstchen mit Kartoffelsalat servierst anstatt des veganen Drei-Gang-Menüs.
Die Erwartungen sind aber natürlich klar. Und ganz egal, ob du sie schlussendlich erfüllst oder nicht: Du wirst dich mies fühlen, ein schlechtes Gewissen haben und noch mehr Stress als vorher.
3. Ansprüche
… und zwar vor allem deine eigenen.
An Heiligabend muss die ganze Wohnung blitzblank geputzt sein? Am Tag vor dem ersten Advent schon das ganze Haus geschmückt? Gekaufte Plätzchen kommen nicht in Frage – ebensowenig wie Geschenke, die in Zeitungspapier verpackt sind?
Deine eigenen Erwartungen sind in der Advents- und Weihnachtszeit dein größter Feind und Stressfaktor.
… und was ist der wahre Grund?
Gewohnheiten, Erwartungen, Ansprüche… das weißt du eigentlich alles. Jedes Jahr nimmst du dir vor, es dieses Mal anders zu machen – und tappst dann trotzdem wieder in die gleichen Fallen.
Da kann man sich ja irgendwann mal die Frage stellen, warum das eigentlich so ist… ;-)
Also, ganz unter uns: Warum sind diese Gewohnheiten, die Erwartungen anderer und deine eigenen Ansprüche ausgerechnet jetzt, in der Advents- und Weihnachtszeit für dich so wichtig?
Warum machen sie dir überhaupt so viel Stress?
Denn schließlich bist du dir all dieser Probleme ja durchaus bewusst und könntest einfach entscheiden, dass du es dieses Jahr eben anders machst. Basta.
Aber so einfach ist das offensichtlich nicht…
Das eigentliche Problem sind nicht die Gewohnheiten, die Erwartungen und die Ansprüche – das eigentliche Problem liegt tiefer in dir drin.
Irgendwann im Lauf deines Lebens hast du all diese Sachen unbewusst mit etwas anderem verknüpft: mit deinem Wert und deinem eigenen Bild von dir.
Du hast von dir vielleicht das Bild, dass du eine gute Mutter sein solltest oder ein treusorgender Sohn. Dass du effizient und anpackend bist. Oder dass du nur dann etwas wert bist, wenn andere dich loben.
All diese Dinge werden dir im Alltag vielleicht gar nicht bewusst.
Aber an Weihnachten ist alles anders. Es sind viele Dinge zusätzlich zu erledigen. Die Termine häufen sich. Emotionen kommen hoch.
In dieser Zeit, in der sowieso alles anders und damit „erschreckend“ ist, klammert sich dein Unterbewusstes noch mehr als sonst an die Dinge, die „sicher“ sind. Und zu diesen Dingen gehört eben auch dein unbewusstes Bild von dir selbst.
Leider ist die Weihnachtszeit aber auch ausgerechnet die Zeit, in der du dieses Bild noch weniger erfüllen kannst als sonst.
Wenn du nicht zum Plätzchen Backen kommst, wird dir besonders bewusst, dass du eben keine perfekte Mutter bist.
Wenn du erst am 1. Weihnachtsfeiertag zu deinen Eltern fährst und nicht schon an Heiligabend, dann hast du vielleicht deine Eltern enttäuscht.
Wenn du Ende November noch nicht angefangen hast, dich um Geschenke zu kümmern, dann hast du das eben nicht so effizient und anpackend erledigt, wie du es von dir selbst erwartet hast.
Wenn du stundenlang für die Familienfeier gekocht hast, und dann lobt keiner dein Essen, dann fühlst du dich schlecht und weißt vielleicht noch nicht einmal warum.
Das Herausfordernde an Weihnachten sind nicht die Herausforderungen, die wir alle haben.
Mit Zeitdruck, Gewohnheiten, Erwartungen und den eigenen Ansprüchen kann man umgehen lernen.
Das Herausfordernde ist das, womit du Weihnachten unbewusst verbunden hast. Das, woran du deinen eigenen Wert hängst. Das, was an deinem tief verankerten Selbstbild kratzen kann.
Kannst du das alles jetzt in ein paar Minuten umkrempeln und zukünftig jederzeit glücklich und stressfrei durch die Weihnachtszeit gehen?
Nein, natürlich nicht.
Aber mit ein paar Minuten Nachdenken und etwas Aufmerksamkeit im Alltag kannst du spüren, was wirklich hinter deinen Weihnachtsbedürfnissen steckt.
Wie du deinen Selbstwert mit manchen Dingen verknüpft hast.
Welches Bild du von dir selbst hast, und an welchen Maßstäben du dich in der Weihnachtszeit misst.
Und wenn dir diese Dinge klarer werden, dann kannst du dich gelegentlich auch in flagranti dabei ertappen, dass du wieder in dieselbe Falle getappt bist wie immer – und dann einmal herzhaft über dich selbst lachen.
Du wirst sehen, danach geht es dir schon viel besser.
Foto: Tom Grimbert
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