Manche Bücher lege ich nach dem Lesen zur Seite, reibe mir verwundert die Augen und frage mich: War mir das nicht alles vorher schon klar?
Bei genauerem Nachdenken stellt sich dann aber manchmal heraus, dass ich mir diese Dinge genau so doch noch nicht vergegenwärtigt hatte (und sie ganz sicher auch nicht konsequent in meinem Leben umgesetzt habe). Aber die Erkenntnisse aus diesen Büchern sind eben so einleuchtend und überzeugend, dass es mir so vorkommt, als ob ich das alles immer schon gewusst hätte.
Solch einen „Ja klar doch!“-Moment hatte ich auch bei der Lektüre von Carol Dwecks „Selbstbild: Wie unser Denken Erfolge oder Niederlagen bewirkt“.
Worum geht es in diesem Buch?
Carol Dweck ist Psychologieprofessorin an der Stanford University und forscht vor allem auf dem Gebiet der Motivations- und Entwicklungspsychologie. Im Lauf Ihrer Arbeit ist ihr verstärkt aufgefallen, welch großen Einfluss das Selbstbild z.B. auf den Lernerfolg von Kindern hat. Schließlich begann sie, speziell hierzu zu forschen.
„Selbstbild“ ist nun das Resultat ihrer eigenen Forschung und der Forschungsergebnisse, die sie von Kollegen zusammengetragen hat. Es geht um zwei entgegengesetzte Einstellungen, die Menschen bezüglich ihrer eigenen Lernfähigkeit und ihrer Fähigkeit zur Veränderung haben können.
Da ist zum einen das statische Selbstbild. Menschen mit einem statischen Selbstbild sind davon überzeugt, dass „Talent“ schon bei der Geburt vorgegeben ist und sich im Lauf des Lebens auch nicht verändert. Menschen, die in einer Sache erfolgreich sind, haben also einfach viel Talent. Und umgekehrt: Wer Talent hat, braucht sich für den Erfolg auch nicht anzustrengen. Für Menschen mit einem statischen Selbstbild sind Fehler ein Ausdruck ihres Versagens – denn talentierte Menschen bringen überragende Leistungen und machen keine Fehler.
Menschen mit einem dynamischen Selbstbild hingegen sind davon überzeugt, dass jeder hinzulernen und sich immer weiter verbessern kann. Sie gehen davon aus, dass mit Übung und mit Einsatz immer weitere Fortschritte zu erreichen sind. Fähigkeiten und Fertigkeiten können also immer weiter entwickelt werden, und Rückschläge oder Fehler sind nur eine Chance, etwas dazuzulernen.
Nun ist die Wirklichkeit natürlich, wie so oft, nicht einfach schwarz und weiß. Es gibt also nicht auf der einen Seite Menschen mit einem strikt statischen Selbstbild, und auf der anderen Seite Menschen mit einem völlig dynamischen Selbstbild. Stattdessen tragen die meisten Menschen unterschiedliche Ausprägungen beider Selbstbilder in sich, und wir können auch in unterschiedlichen Bereichen durchaus unterschiedlich über uns selbst denken.
Z.B. kann jemand im Sport davon ausgehen, dass alle Erfolge auf seinem angeborenem Talent beruhen (statisches Selbstbild), aber andererseits kann er davon überzeugt sein, dass er sich in seiner Beziehung immer weiterentwickeln und weiter dazulernen muss, um eine glückliche Partnerschaft zu haben (dynamisches Selbstbild).
Das Tückische am statischen Selbstbild ist dabei auch nicht das Selbstbild an sich, sondern die Einschränkungen, die es in unser Leben bringt.
Carol Dweck hat hierzu selbst unterschiedliche Studien durchgeführt und auch Ergebnisse anderer Forscher ausgewertet, und die Essenz ist immer die Gleiche: Ein statisches Selbstbild führt auf Dauer dazu, dass wir weniger dazulernen, uns weniger zutrauen, und (im Vergleich zu Menschen mit einem dynamischen Selbstbild) langfristig schlechter abschneiden.
Das mag zunächst ein wenig weit hergeholt klingen, ist aber ein Teil dieses „Ja klar doch!“-Momentes, von dem ich zu Anfang schrieb.
Der Mechanismus hinter diesem Phänomen ist eigentlich ganz einfach: Wenn wir davon ausgehen, dass unser „Talent“ angeboren ist (= statisches Selbstbild), dann bedeutet jeder Fehler, dass wir eben doch nicht so talentiert sind, wie wir es vielleicht gerne wären. Fehler sind damit also unbedingt zu vermeiden, und Herausforderungen oder schwierigere Aufgaben (die zu Fehlern führen können) natürlich auch. Das Ziel eines Menschen mit statischem Selbstbild ist also die Bestätigung seines Selbstbildes. Das Ziel eines Menschen mit dynamischem Selbstbild hingegen ist es, etwas dazuzulernen und sich immer weiter zu verbessern.
Die Folgen unseres Selbstbildes ziehen sich eigentlich durch unser ganzes Leben: Ob sportliche oder berufliche Leistungen, Intelligenz, Kreativität oder „künstlerische Ader“, oder unsere Beziehungsfähigkeit: Überall, wo wir ein statisches Selbstbild haben, versuchen wir Fehler zu vermeiden und damit unser Talent zu Schau zu stellen. In den Bereichen aber, die wir mit einem dynamischen Selbstbild angehen, freuen wir uns über Herausforderungen und sehen Fehler als eine Chance, etwas Neues zu lernen. Und damit können wir uns immer weiter und weiter verbessern.
Carol Dweck beschreibt diese Erkenntnisse und die Folgen daraus in „Selbstbild“ auf eine unterhaltsame und kurzweilige Art, mit vielen Anekdoten aus den unterschiedlichsten Bereichen des menschlichen Lebens. Besonders gefallen haben mir die kurzen Zusammenfassungen am Ende jedes Kapitels, die sehr dazu anregen, weiter über dieses Thema nachzudenken und an sich selbst zu arbeiten.
Ich persönlich habe den größten Gewinn aus dem ersten und letzten Drittel des Buches gezogen, wo die eigentlichen Inhalte vorgestellt werden und es dann darum geht, wie man das eigene Selbstbild und das Selbstbild anderer (z.B. von Kindern) verändern kann.
Das mittlere Drittel hingegen ist sehr anekdotisch mit vielen Beispielen, das hätte für meinen Geschmack auch ein wenig knapper sein dürfen (und dafür lieber am Ende noch mehr konkrete Anregungen zur Umsetzung).
Insgesamt aber hat mich Carol Dweck mit „Selbstbild“ sehr zum Nachdenken gebracht, und ich halte tatsächlich seither immer wieder inne und korrigiere mich selbst, wenn ich mich mit einem statischen Selbstbild ertappe.
Von daher kann ich „Selbstbild“ von Carol Dweck nur empfehlen: als Lektüre für dich selbst (und natürlich zum Verschenken) – aber auch für alle, die als Eltern, Lehrer, Chefs, … das Selbstbild anderer beeinflussen können.
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(Für alle Freunde des englischen Originals ist „Selbstbild“ selbstverständlich auch in der englischen Ausgabe erhältlich: Mindset: The New Psychology of Success.)
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