Vor ein paar Tagen hatte ich über die Kunst, produktiv zu scheitern, geschrieben.
Kurz zusammengefasst geht es beim Produktiven Scheitern darum, dass du dir beim Setzen eines Ziels bewusst bist, was du eigentlich erreichen willst. Dein Ziel sollte dabei machbar, aber durchaus eine kleine Herausforderung sein (wenn du immer nur den gleichen Trott weitermachst, verändert sich ja nichts in deinem Alltag). Wenn du dieses Ziel dann nur teilweise erreichst, spreche ich vom „produktiven Scheitern“.
Ganz wichtig dabei ist: Dein Fokus liegt nicht auf dem, was du nicht geschafft hast, sondern auf den Schritten, die du in die richtige Richtung getan hast.
Dir darüber im klaren zu sein, wo du hin willst, dann ist auch das Nicht-Erreichen deines Ziels ein Gewinn — auf dem Papier klingt das ja alles ganz nett, aber wie kannst du das in die Praxis umsetzen?
In diesem Artikel zeige ich dir deshalb anhand eines konkreten Beispiels, wie produktives Scheitern aussehen kann.
Schritt 1: Wissen, wo du hin willst
Der erste Schritt ist wie so oft, dass du dir darüber klar wirst, was du eigentlich erreichen willst. Oder wie Mark Twain es so einprägsam ausgedrückt hat:
Wer nicht genau weiß, wohin er will, der darf sich nicht wundern, wenn er ganz woanders ankommt.
Mark Twain
Als konkretes Beispiel nehem wir heute mal etwas aus dem Alltag von Lehrern, mit dem sich aber die meisten anderen Menschen auch identifizieren können: Dinge in Zukunft nicht mehr aufzuschieben, bis es absolut nicht mehr anders geht, und sie dann erst in der Nacht vor dem Termin zu erledigen.
Bei Lehrern ist dies unter anderem die Unterrichtsvorbereitung, die oft erst nachts vor dem Unterricht erledigt wird. Im Geschäftsalltag ist es die Präsentation für den Kunden, oder das Konzept für den Chef. Zu Hause sind es die an Heiligabend gekauften (oder am 23. 12. mit Expresslieferung bestellten) Weihnachtsgeschenke.
Sehr wahrscheinlich fallen auch dir Dinge ein, die du regelmäßig im allerletzten Moment erledigst, oft auf Kosten deines Schlafes, deiner Gesundheit, oder deiner privaten Beziehungen.
(Wenn du selbst kein Lehrer bist, dann ersetze „Unterrichtsvorbereitung“ im folgenden Beispiel einfach durch das, was du normalerweise aufschiebst…)
Die Umsetzung
Wie kannst du also das Konzept des produktiven Scheiterns ausnutzen, um deine Lebensqualität ein Stück zu verbessern, zufriedener mit dir zu sein, weniger Stress zu haben oder mehr Schlaf zu bekommen?
Nehmen wir an, du hast als Lehrerin endgültig genug davon, deine Unterrichtsvorbereitung auf den allerletzten Drücker nachts zu erledigen, weil du so einfach zu wenig Schlaf bekommst. Du weißt also nicht nur, was du verändern möchtest (nicht mehr in der Nacht direkt vor der Unterrichtsstunde vorbereiten), sondern auch warum (weil es zulasten deiner Gesundheit geht). Der erste Schritt ist getan.
Jetzt setzt du dir ein klares Ziel. Im Idealfall ist das Ziel machbar, aber fordert dich trotzdem heraus. Es sollte dich also dazu zwingen, dich durchaus ein bisschen zu anzustrengen und an dir und deinen Gewohnheiten zu arbeiten. Gleichzeitig solltest du aber das Gefühl haben, dass du es schaffen kannst. Ansonsten macht die ganze Sache ja wenig Sinn.
Beispielsweise nimmst du dir vor, dass du in den nächsten vier Wochen jeweils am Samstag Nachmittag schon vier Stunden für die kommende Woche vorbereitest. Während der Woche setzt du dich dann gleich nachmittags (nach einer angemessenen, aber kurzen Pause) an den Schreibtisch und erledigst die restliche Vorbereitung für den kommenden Tag.
Du hast also…
- ein klares Ziel
- einen guten Grund
- eine machbare Herausforderung
- ein messbares Ergebnis
Perfekt!
Die Erfolgskontrolle
Jetzt hältst du deinen Plan noch schriftlich fest und erstellst eine Liste, Tabelle oder ähnliches, in die du jeden Tag eintragen kannst, ob du dein Ziel jeweils erreicht hast.
(Bitte hier nicht ewig verkünsteln! Eine einfache, handgeschriebene Checkliste oder Tabelle auf der Rückseite einer alten Klassenarbeit tut es völlig. Dieser Zettel ist nur für dich und sollte dich nicht mehr Zeit kosten, als unbedingt notwendig. Verwende deine Zeit lieber auf etwas Sinnvolleres! Und ja, du darfst die Tabelle ausnahmsweise auch ohne Lineal zeichnen… ;-) )
Wenn ich das für diese spezielle Herausforderung für mich tun würde, würde es in etwa so aussehen:
Ja, das ist nicht schön, aber es reicht mir für vier Wochen aus. Und schließlich tust du das ja, weil du mehr von deinem Leben haben willst, oder?
… und jetzt gleich loslegen!
Am besten ist es immer, wenn du mit solchen Herausforderungen gleich beginnst, solange du noch im Schwung bist. Also nicht auf den nächsten Monatsanfang in zwei Wochen warten. Bis dahin ist der Leidensdruck lang nicht mehr so groß, deine Begeisterung ist völlig weg, und der Alltag hat dich wieder.
Also möglichst gleich an diesem oder wenigstens am nächsten Tag loslegen. Es muss ja nicht von Anfang an alles perfekt sein – Hauptsache, du kommst voran und es geht dir besser!
Es muss nicht von Anfang an alles perfekt sein – Hauptsache, du kommst voran und es geht dir besser!
Du stürzt dich also voller Elan in dein neues Leben. Die Tage vergehen. Manche laufen richtig gut (vor allem am Anfang, wenn die Begeisterung noch groß ist). Manche laufen so einigermaßen. Und über manche decken wir vornehm den Mantel des Schweigens.
Und woran merkst du, ob du gescheitert bist?
Die vier Wochen (oder welchen Zeitraum auch immer du dir vorgenommen hattest) sind um, und du schaust mit kritischem Auge auf deine Liste oder Tabelle:
- Hast du alles geschafft? Warst du wirklich perfekt, hast alle deine neuen Vorsätze eingehalten und alles zu der Zeit und auf die Art erledigt, die du dir vorgenommen hattest?
Dann bist du gescheitert!
Ganz recht: Wenn du auf Anhieb perfekt warst, dann war die Herausforderung nicht groß genug! Dann hast du es dir zu leicht gemacht.
Wenn du auf Anhieb perfekt warst, dann war die Herausforderung nicht groß genug!
Schließlich geht es nicht darum, Dinge zu tun, die du sowieso schon kannst und schaffst. Das ist keine Herausforderung. Und viel wichtiger: Das ist auch nichts, was dich voranbringt, dein Leben verändert oder deine Gewohnheiten verbessert.
- Sehr gut ist es gelaufen, wenn du deiner Herausforderung im großen und ganzen gerecht geworden bist, aber eben nicht immer.
- Gut ist es gelaufen, wenn du wenigstens gelegentlich etwas besser gemacht hast.
(Vielleicht war die Herausforderung einfach in diesem Moment zu groß für dich? Macht nichts — einfach mit der nächsten Verbesserung weitermachen. Wichtig ist nur, Schrittchen für Schrittchen in die richtige Richtung zu gehen!)
- Und besonders toll ist es, wenn du an dieser Stelle klar sehen kannst, was für dich funktioniert und was nicht – dann kannst du die Abläufe oder dein Verhalten nämlich ganz konkret weiter verbessern.
Schließlich hast du immer noch dein eigentliches Ziel (nicht mehr erst nachts vorzubereiten) vor Augen, oder? Und hoffentlich schaffst du es, einen Teil deiner neuen, besseren Gewohnheiten in die nächsten Wochen und Monate mitzunehmen.
Produktiv zu scheitern bedeutet, sich selbst wertzuschätzen
Das ist „produktives Scheitern“: Du bewegst dich in Richtung auf ein Ziel, das dir wichtig ist. Und dabei nimmst du lächelnd in Kauf, dass auch du nicht perfekt bist.
Wenn du dann da angekommen bist, wo du hinwolltest (du bereitest regelmäßig und ohne Listen darüber zu führen deinen Unterricht früher vor), dann sind dir bis dahin bestimmt schon einige andere Dinge eingefallen, die du verbessern könntest.
Und falls du keine Lehrerin oder kein Lehrer bist, dann hast du inzwischen hoffentlich trotzdem genügend Ideen, wie du in deinem eigenen Alltag produktiv scheitern kannst…
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