Warum fällt es uns eigentlich so schwer, uns vorzustellen, dass andere Menschen sich verändern?
Am Allerdeutlichsten wird das ja, so finde ich, bei der Nahrungsaufnahme:
Du bist zum Essen eingeladen (bevorzugt bei wohlmeinenden älteren Verwandten). Und ehe du etwas sagen können, landet das Schnitzel auf deinem Teller, zusammen mit einem beglückten „Das isst du doch so gerne!“. Das hast du auch gern gegessen – früher. Nur leider bist du nun schon seit mehreren Jahren Vegetarier, und hast diese Wahl auch seither bei jedem gemeinsamen Essen begründet.
Das gleiche Spiel funktioniert auch umgekehrt: Alle erhalten wie selbstverständlich eine Scheibe Braten, nur du nicht („Du isst ja leider kein Fleisch.“ Hast du auch nicht – während der drei Monate vor mehreren Jahren, als du einen veganen Challenge ausprobiert hast. Und inzwischen hast du oft genug mit den Gastgebern zusammen ein Steak oder einen Braten genossen.)
Die Nahrungsaufnahme ist aber, wie so oft, nur symptomatisch für ein darunter liegendes Phänomen:
Menschen verändern sich, direkt vor unserer Nase. Oft genug sogar in unserem engsten Umfeld. Und wir nehmen das einfach nicht wahr.
Stattdessen projizieren wir immer wieder und wieder dasselbe Bild dieser Person auf die Person. Manchmal genügen selbst vielfache andere Erfahrungen nicht, um dieses Bild zu erschüttern.
Und die Nahrungsaufnahme ist hier, wie gesagt, nur symptomatisch zu sehen – auch andere, tiefschürfendere Veränderung wie eine positivere Lebenseinstellung, Pünktlichkeit anstatt chronischem Zuspätkommen, Ordnung anstatt Chaos… also all die Dinge, die wir mit Herzblut und Energie an uns verbessern… gerade die werden allzuoft von anderen überhaupt nicht wahrgenommen.
Ich glaube nicht, dass das nur an unseren persönlichen Präferenzen liegt (also dass deine Tante dir immer wieder Fleisch serviert, weil sie einfach in einer Generation aufgewachsen ist, in der Fleisch dazu gehört).
Meiner Meinung nach nehmen wir tiefgreifende Veränderungen bei anderen vor allem deshalb nicht wahr, weil uns Veränderung auf einer unterbewussten Ebene Angst macht. Es ist um vieles beruhigender, wenn die Welt bleibt, wie sie ist.
Denn wenn wir wahrnehmen, wie Menschen um uns herum sich verändern, dann gibt es ja für uns keine Ausreden mehr, oder? Wenn selbst Onkel Heinz es schafft, sich konsequent gesünder zu ernähren und allein damit seinen Blutdruck zu senken, was haben wir dann noch für Ausreden, wenn es um eine gesündere Lebensweise geht? Wenn die beste Freundin über Monate unter viel Schweiß und Tränen ihre gesamte Wohnung entrümpelt und ihren Besitz reduziert, wie können wir dann weiter mit dem Chaos auf unserem Schreibtisch leben?
Veränderung in anderen Menschen macht uns Angst, weil sie uns selbst verpflichtet, besser zu werden.
Ist es da nicht viel bequemer, wenn die anderen wenigstens in unserer Vorstellung immer gleich bleiben?
Und: Wen könntest du diese Woche endlich einmal neu, mit allen Veränderungen wahrnehmen… und zu welchen Veränderungen bei dir selbst inspiriert dich das?
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